Ein Minenwarnschild mit Totenkopf auf einem nebligen Hügel.

INTERVIEW. Pfarrer Dr. Jürgen Thiesbonenkamp leitet die Hilfsorganisation Kindernothilfe. 90 000 Paten finanzieren rund 1000 Projekte des Hilfswerks in 27 Ländern der Erde.

AM NIEDERRHEIN. Dr. Jürgen Thiesbonenkamp ist Leiter der internationalen Hilfsorganisation Kindernothilfe mit Sitz in Duisburg. Im Kirchenkreis Moers ist der evangelische Pfarrer kein Unbekannter. Unter anderem war er sechs Jahre lang Superintendent.

Gehen Sie am morgigen Sonntag in die Kirche?

Thiesbonenkamp: Wenn es meine Arbeit zulässt, gehe ich jeden Sonntag in die Kirche; in die Kreuzkirche in Friemersheim, aber auch in Buchholz, wo die Kindernothilfe ja liegt. Zum Predigen werde ich als Pfarrer oft auch von auswärtigen Gemeinden eingeladen.

Was ist die Kindernothilfe mit Sitz in Duisburg für eine Organisation?

Thiesbonenkamp: Die Kindernothilfe ist ein internationales, anerkanntes Kinderhilfswerk. Es wurde 1959 gegründet und hat seine Geschäftsstelle in Duisburg, wo es heute 120 Mitarbeiter gibt. Das Kinderhilfswerk entstand aus der evangelischen Kirche, ist aber heute völlig ökumenisch aufgestellt. Wir arbeiten zu 80 Prozent mit christlichen Partnern in aller Welt, die verschiedensten Kirchen angehören. Durch unsere sachkundigen Partner vor Ort können wir auch bei Katastrophen wie Erdbeben oder Tsunamis sofort effektive Hilfe leisten und Dörfer und Schulen wieder aufbauen. Was aber nur ein Teil unserer Arbeit ist.

Welche Aufgabe hat sich die Kindernothilfe gestellt? Was sind Ihre Ziele?

Thiesbonenkamp: Wir wollen die Armut der Kinder in der Dritten Welt lindern. Dabei agieren wir in 27 Ländern und unterhalten dort über 1000 Projekte. Immer geht es um die Themen Gesundheit, Ernährung und Bildung und um die Durchsetzung der Kinderrechte nach der UNO-Konvention.

In welcher Situation leben die Kinder, um die sich das Hilfswerk kümmert?

Thiesbonenkamp: Wir bekämpfen die Armut, die vor allem in den Metropolen groß ist. Beispielsweise in Rio, wo Straßen- und Slumkinder in elenden Verhältnissen leben. Wir versuchen, die Landflucht zu stoppen, indem wir den Familien in den Dörfern helfen, sich eine kleine Existenz durch Landwirtschaft oder Gartenbau aufzubauen. Denn der Gang in die Stadt bedeutet in der Regel, in den Slums zu enden. Daneben kümmern wir uns beispielsweise um Aidswaisen in Malawi, Straßenkinder in Honduras oder sexuell ausgebeutete Kinder auf den Philippinen. Grundsätzlich setzen wir uns überall für die Einhaltung der Rechte der Kinder ein.

Bei Ihrer Arbeit haben Sie sicherlich mit viel Elend in der Welt zu tun. Was sind Ihrer Erfahrung nach die schlimmsten Kinderschicksale, die die Kindernothilfe kennt?

Thiesbonenkamp: Das sind wohl die der Kindersoldaten in Uganda. Dort flohen bis vor kurzem Tausende Kinder all abendlich, um nachts einer Gefangennahme durch die Rebellen zu entgehen. Sie ziehen abends aus ihren Dörfern in die sicheren Städte. Für sie haben wir Schutzhäuser errichtet. Darüber sind rund 7000 Kindersoldaten unlängst nach einem Waffenstillstand von den Rebellen wieder fortgejagt worden. Sie haben Menschen töten müssen, womöglich sogar Verwandte in den Dörfern. Weshalb ihre Familien sie nicht mehr haben wollen. Diese Kinder haben extreme Brutalität erfahren, sind völlig traumatisiert und brauchen viel psychologische Betreuung.

1000 Hilfsprojekte, die kosten viel Geld. Wie finanziert die Kindernothilfe all diese Projekte?

Thiesbonenkamp: Wir setzen auf das Prinzip der Paten. Dabei gibt ein Pate 31 Euro pro Monat für ein bestimmtes Kind, das ihm bekannt ist und das in einem Projekt gefördert wird. Dies holt die Spende aus der Anonymität. Es gibt etwa 90 000 solcher Paten, hauptsächlich in Deutschland. Unsere jüngste Jahresbilanz weist rund 51 Millionen Euro aus, die zu 92 Prozent aus Spenden der Paten und vielen Einzelspenden stammen. Acht Prozent sind u.a. von Bund und EU. Wobei wir unlängst einen Preis für unseren transparenten Finanzbericht bekommen haben. Auch das Gütesiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen besitzen wir.

Was tut die Kindernothilfe neben den Hilfsprojekten sonst noch?

Thiesbonenkamp: Wir betreiben viel Aufklärung beispielsweise an deutschen Schulen. Und erstellen Unterrichtsmaterialien für Schulen und Gemeinden. Denn wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir alle in einer Welt leben und zusammengehören. Wir beteiligen uns aber auch an Kampagnen wie für den fairen Warenhandel mit der Dritten Welt oder zur Ächtung von Landminen.

Sie haben viel zu tun. Was brauchen Sie persönlich am nötigsten für Ihre Arbeit?

Thiesbonenkamp: Wenn es um die Armutsbekämpfung geht: Geduld, um viele dicke Bretter zu bohren. Und die können wir am besten von unseren afrikanischen Freunden lernen.

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