Ein Minenwarnschild mit Totenkopf auf einem nebligen Hügel.

Sprengmeister Dirk Wegener vernichtet Granaten, Minen und Bomben aus dem Berliner Boden

GRUNEWALD. Heute wird es wieder laut im Grunewald. Auf einem großen Sandplatz zwischen Kiefern und Birken werden drei Tonnen Kriegsmunition gesprengt. Hundertschaften sperren dafür das bei Radfahrern, Skatern und Spaziergängern beliebte Waldgebiet im Umkreis von einem Kilometer ab. Auch die Avus wird zwischen Hüttenweg und Nikolassee für kurze Zeit gesperrt. Sprengplatzchef Dirk Wegener und seine Kollegen vernichten auf dem 8 000 Quadratmeter großen Areal mitten im Wald Bomben, Granaten, Minen und Raketen - Fundmunition aus ganz Berlin. Gesprengt wird nur im Frühjahr und im Herbst, weil da der Boden nicht zu heiß und nicht zu trocken ist.

Sorgfältig häuft der 57-jährige Sprengmeister und Polizeihauptkommissar Wegener Granaten in tiefe Sandtrichter im Boden. Darauf verteilt er Sprengstoff, bevor die Erdlöcher mit märkischem Sand abdeckt werden. Sind alle Trichter gefüllt, gehen Sprengmeister, Polizeifeuerwerker und Munitionsfacharbeiter in einem Bunker in Deckung. Durch Stromimpulse wird der Sprengstoff in den Trichtern gezündet. "Dazu braucht es nicht mehr als einen Knopfdruck", sagt Wegener. Er verfolgt die kurz hintereinander erfolgenden Explosionen auf einem Monitor. "Manchmal wackeln durch die Erschütterung die Bunkerwände."

In den Tagen nach der Sprengung wird das Gelände abgesucht, um sicherzugehen, dass keine intakten Sprengkörper mehr herumliegen. Doch dazu kommt es eigentlich nie, sagt der Platzchef. "Die Sprengungen klappen wie ein Uhrwerk." Zwölf Tonnen der rostigen Munition, die bis zur Sprengung in Erdlöchern zwischenlagern, werden bis Ende März vernichtet.
Vor 20 Jahren hat Wegener noch als Sachbearbeiter im Polizeidienst gearbeitet. 1988 ergriff er die Chance, vom Schreibtisch auf den Sprengplatz wechseln. Jetzt leitet er die rund tausend Einsätze pro Jahr, zu denen seine Sprengtruppe bei Munitionsfunden in Berlin gerufen wird. Der Mann mit dem Schnauzbart sieht seinen Beruf pragmatisch: "Sprengstoff ist Handwerkszeug", sagt er. Das wichtigste in seinem Beruf sei es, die Sprengkörper zu erkennen. Keine leichte Aufgabe: Es gibt bis zu 40 000 Arten. Erst, wenn Wegener weiß, womit er es zu tun hat, kann er entscheiden, wie die Munition zu behandeln ist.

Ist der Sprengkörper noch transportfähig, wird er mit einem Spezialfahrzeug zum Grunewald gebracht. Doch manchmal würde schon die kleinste Erschütterung eine Explosion auslösen. In solch einem Fall muss der Blindgänger gleich vor Ort gesprengt werden. Die Bomben werden angebohrt und eine kleine Menge Sprengstoff - zum Beispiel TNT oder Geosit - eingebracht. Die Detonation wird durch dieses Verfahren abgemildert, die Bombe entfaltet nur einen Bruchteil ihrer eigentlichen Wirkung. Dafür wird aber der Zünder herausgeschleudert und die Bombe ist entschärft. Die ganze Prozedur dauert höchstens eine halbe Stunde.

Wegener geht mit jeder Bombe ein Risiko ein. "Fundmunition ist immer gefährlich und unberechenbar", sagt er. "Die Kunst beim Sprengen ist, mit möglichst wenig Sprengstoff die größtmögliche Wirkung zu erzielen." Sein Beruf hat für ihn einen ganz besonderen Reiz: "Es ist zutiefst befriedigend, Kriegsmunition zu vernichten und sie endgültig verschwinden zu lassen", sagt er. "Ich trage mit meiner Arbeit dazu bei, die Kriegsfolgen zu mindern. Das finde ich sehr sinnvoll."

Im vergangenen Jahr holten die Sprengleute 13 000 Granaten und acht Bomben aus der Berliner Erde. "Ich sage immer, jeder Berliner, der einen Spaten in die Hand nimmt, muss damit rechnen, auf Munition zu stoßen", sagt Wegener. Nach seinen Berechnungen liegen noch immer 3 000 Bombenblindgänger in der Erde. Da bleibt auch für die Sprengmeister der nächsten Generation noch viel zu tun.

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