Landminen in Afghanistan |  Landmine.de
Man sieht mehrere Jungen, die das HI-Rehabilitationszentrum in Kandahar besucht haben. Sie sitzen auf einer Bank und man sieht ihre Beinprothesen.

Landminen in Afghanistan

Nach vier Jahrzehnten bewaffneter Konflikte zählt Afghanistan zu den am stärksten mit Minen kontaminierten Länder weltweit. Diese tödlichen Hinterlassenschaften gefährden täglich das Leben der Zivilbevölkerung und behindern die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes erheblich. 

Afghanistan ist seit dem 1. März 2003 Vertragsstaat der Ottawa-Konvention, die das Verbot von Antipersonenminen und deren Beseitigung regelt.

Laut dem Landminen-Monitor 2024 sind knapp 176,33 km² mit Antipersonen-Minen verseucht, davon 73,26 km² mit improvisierten Minen. Im Jahr 2023 verzeichnete der Landminen-Monitor 651 von Minen und explosiven Kriegsresten getötete und verletzte Personen in Afghanistan, im Vergleich zu 303 im Jahr 2022. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Vor der Machtergreifung der Taliban waren die Systeme zur Datensammlung deutlich besser ausgestattet und erfassten jedes Jahr rund 1.000 Opfer.

Zuletzt aktualisiert am: 20. November 2024

Das lesen Sie auf dieser Seite:

Woher stammen die Daten auf dieser Seite

Die meisten Daten auf dieser Seite stammen aus dem Landmine-Monitor. Der Monitor ist ein jährlich erscheinender Bericht, der über die Umsetzung der Ottawa-Konvention, also des internationalen Minenverbots informiert. Handicap International ist im Kuratorium des Monitors. 

Der aktuellste Landminen-Monitor vom November 2024 enthält Informationen über die Entwicklungen im Jahr 2023 - und, wann immer möglich, bis Oktober 2024. Er liefert detaillierte Daten und Analysen zur Einhaltung und Umsetzung des Vertrags weltweit. Der Fokus liegt auf den Fortschritten und Herausforderungen des letzten Kalenderjahres.

!! Handicap International führt selbst keine länderweiten Erhebungen zu Minen- und Opferzahlen durch !!

Wie viele Unfälle mit Minen gab es bisher?

Im Jahr 2023 verzeichnete der Landminen-Monitor 651 getötete und verletzte Personen in Afghanistan, im Vergleich zu 303 im Jahr 2022.. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Vor der Machtergreifung der Taliban waren die Systeme zur Datensammlung deutlich besser ausgestattet und erfassten über ein Jahrzehnt jedes Jahr rund 1.000 Opfer oder mehr.

Seit Ende der Siebzigerjahre hatten weit über 30.000 Menschen Unfälle mit Minen und explosiven Kriegsresten. Inhalt „Wo liegen Minen in Afghanistan?“

Afghanistan zählt zu den am stärksten mit Minen verseuchten Ländern weltweit. 2023 wurden 176,33 km² als kontaminiert gemeldet.

Davon liegen auf 73,33 km² improvisierte Minen. Darüber hinaus meldete Afghanistan eine gemischte Kontamination von 30,89 km² durch Antipersonenminen, Antifahrzeugminen und explosive Kriegsreste wie Streumunition.

Wo liegen Minen in Afghanistan?

Afghanistan zählt zu den am stärksten mit Minen verseuchten Ländern weltweit. 2023 wurden 144,93 km² als kontaminiert gemeldet.

Davon liegen auf 51,14 km² improvisierte Minen. Darüber hinaus meldete Afghanistan eine gemischte Kontamination von 35,89 km² durch Antipersonenminen, Antifahrzeugminen und explosive Kriegsreste wie Streumunition.

Wer verlegte die Minen?

Afghanistan ist seit den späten 1970er Jahren von bewaffneten Konflikten betroffen, beginnend mit der sowjetischen Invasion 1979, die einen jahrelangen Krieg auslöste. Nach dem Rückzug der Sowjetunion 1989 folgte ein Bürgerkrieg, in dem verschiedene Gruppen um die Kontrolle des Landes kämpften. In den 1990er Jahren übernahmen die Taliban die Macht. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 intervenierten die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan, was zu einem langen militärischen Engagement führte und erneut heftigen Widerstand erweckte.

So weit bekannt, wurden in Afghanistan keine regulären Antipersonenminen hergestellt oder exportiert. Während der vielen Jahre des bewaffneten Konflikts importieren verschiedene kämpfende Gruppen in Afghanistan jedoch zahlreiche Landminen. Außerdem stellten verschiedene nichtstaatliche Akteure improvisierte Minen (IED) her.

Seit dem Beitritt Afghanistans zur Ottawa-Konvention im Jahr 2003 bis zur Machtergreifung der Taliban im Jahr 2021 hatte kein staatlicher Akteur Antipersonenminen eingesetzt.

Die Taliban setzten immer wieder Minen ein, darunter oft selbst gebaute, sogenannte improvisierte Sprengsätze. Eigentlich hatten sie sich 1998 dazu verpflichtet, dies zu unterlassen, als sie selbst noch an der Macht waren.

 

Hat Afghanistan Minen verboten?

Antipersonen-Minen sind in Afghanistan verboten. Afghanistan ist seit dem 1. März 2003 Vertragsstaat der Ottawa-Konvention, die das Verbot von Antipersonenminen regelt. Dieser Vertrag fordert von den Vertragsstaaten außerdem die Zerstörung von Minenbeständen, umfassende Maßnahmen zur Minenräumung sowie die Unterstützung von Opfern.

Antifahrzeug-Minen sind in Afghanistan nicht verboten. Die Ottawa-Konvention verbietet deren Einsatz leider nicht.

 

Werden die Minen geräumt?

Als Vertragsstaat der Ottawa-Konvention ist Afghanistan verpflichtet, alle Minen auf seinem Staatsgebiet innerhalb einer bestimmten Frist zu räumen. Trotz dieser Verpflichtung hat Afghanistan aufgrund hoher Kontamination, fehlender Ressourcen und anhaltender Gewalt wiederholt Fristen zur Minenräumung verpasst.

Das afghanische Entminungsprogramm war lange Zeit eines der größten der Welt. Doch als die Taliban am 15. August 2021 die Kontrolle übernahmen, setzte die internationale Gemeinschaft, einschließlich der UN-Organisationen, ihre Unterstützung für die staatlichen Institutionen aus. Die Minenräumung in Afghanistan wird von unterschiedlichen Akteuren im Rahmen des afghanischen Minenaktionsprogramms (MAPA) durchgeführt. Für die Koordination war das Direktorat für Minenräumung zuständig, dem aber nun die nötigen Mittel fehlten.

Um diese Koordinationslücke zu schließen, wurde ein UN-geführter Mechanismus zur Koordinierung der Minenräumung eingerichtet, der unabhängig von der Regierung agiert. Seit Oktober 2023 übernimmt UNMAS (United Nations Mine Action Service) wesentliche Koordinationsfunktionen, darunter Planung und Priorisierung, Qualitätsmanagement und Informationsmanagement. So können die Minenräumungsoperationen im Land trotz internationaler Sanktionen koordiniert stattfinden und UNMAS stellt sicher, dass die humanitäre Minenräumung im Fokus steht. Sie fokussiert sich im - im Gegensatz zur militärischen - auf die größten Bedrohungen für Einzelpersonen und die Gesellschaft.

Afghanistan konnte die Frist zur Minenräumung vom 1. März 2023 nicht einhalten und beantragte daher erfolgreich eine Fristverlängerung bis zum 1. März 2025. Es wird jedoch geschätzt, dass die vollständige Räumung mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen könnte.

Wie hilft Handicap International den Menschen in Afghanistan?

Handicap International setzt sich weltweit gegen Landminen, Streubomben und Explosivwaffen ein und fördert den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten. Ein Teil der Arbeit ist dabei die Räumung von Blindgängern und anderen explosiven Kriegsresten sowie die Aufklärung über die Gefahren dieser. Zusätzlich widmet sich die Organisation der Katastrophen- und Flüchtlingshilfe, der Rehabilitation und der Inklusion von Menschen mit Behinderung.

Seit 1987 ist Handicap International (HI) in Afghanistan aktiv. 1996 baute HI in Kandahar ein Rehabilitationszentrum für Menschen mit Behinderung auf - einschließlich für Landminenopfer. Das Zentrum bietet zum einen physiotherapeutische Leistungen, zum anderen gibt es dort eine Werkstatt zur Herstellung von Prothesen und Orthesen.

HI setzt sich für die Rechte von Überlebenden von Landminen und anderen Menschen mit Behinderung ein. Den afghanischen Behörden und anderen wichtigen Akteur*innen bietet HI technische Unterstützung an, um zur Inklusion dieser Menschen in die Gesellschaft beizutragen und ihren Zugang zu medizinischen und anderen grundlegenden Dienstleistungen zu verbessern. 

Die Teams von HI unterstützen Einrichtungen des Gesundheitsministeriums. Sie schulen das Personal, um Kampagnen zur Aufklärung über die Gefahr explosiver Kriegsreste zu entwickeln, und stellen Reha-Maßnahmen bereit. Im Laufe der Jahre hat HI die Umsetzung der Maßnahmen verbessert und Schulungen, gemäß internationalen Standards, für Physiotherapeut*innen und Orthopädietechniker*innen initiiert. 

Zuletzt führt HI Aktivitäten zur psychosozialen Unterstützung und Rehabilitationsmaßnahmen durch. In Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden bietet HI psychosoziale Unterstützung und Notfall-Reha auch Zuhause an.

Handicap International in Afghanistan

Seit 1987 ist Handicap International in Afghanistan aktiv.

Lesen Sie hier mehr über unseren Einsatz.

Portraits aus unseren Ausstellungen

In Zusammenarbeit mit dem Journalisten und Fotografen Till Mayer haben wir zwei Ausstellungen konzipiert, die deutschlandweit verliehen werden. "Barriere:Zonen" und "erschüttert" erzählen bewegende Geschichten von Menschen aus Krisengebieten, von denen viele eine Behinderung haben. Lesen Sie hier Ihre Geschichten.

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Fast nur noch alte Menschen sind in dem kleinen Dorf in der Ukraine geblieben. Manche erinnern sich noch an den Zweiten Weltkrieg und müssen nun wieder Bombardierung und Vertreibung erleben.

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Headerbild: Mehrere Jungen, die das HI-Rehabilitationszentrum in Kandahar besucht haben. - Bild von Elise Blanchard © E. Blanchard / Handicap International