Ein Minenwarnschild mit Totenkopf auf einem nebligen Hügel.

Am 16. April 2025 stimmte das Parlament Lettlands mit großer Mehrheit für einen Austritt aus dem Landminen-Verbotsvertrag. Kurz darauf folgten Litauen, Estland und Finnland dem Beispiel Lettlands. Dabei sind Antipersonen-Minen aus gutem Grund seit mehr als 25 Jahren international geächtet: Sie treffen vor allem die Zivilbevölkerung. Die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) verurteilt diese Entscheidungen aufs Schärfste.

Die Skulptur "Broken Chair" vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in Genf mit einem großen Banner, der sich mit der dringenden Botschaft an Estland, Finnland, Lettland, Litauen und Polen richtet, nicht aus dem Landminen-Verbotsvertrag auszutreten.
Die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) und Handicap International (HI) haben am 2. Juni 2025 ein riesiges Banner an der Skulptur "Broken Chair" in Genf enthüllt. Das Banner richtet sich mit der dringenden Botschaft an Estland, Finnland, Lettland, Litauen und Polen, nicht aus dem Landminen-Verbotsvertrag auszutreten. © V. Vanniasingam / HI

Bereits im Frühjahr 2025 hatten die Verteidigungsminister der drei baltischen Staaten sowie Finnlands und Polens angekündigt, dass sie ihren jeweiligen Regierungen den Austritt aus der Ottawa-Konvention zum Verbot von Antipersonen-Minen empfehlen werden. Grund hierfür sei die eigene Verteidigungsfähigkeit angesichts der russischen Aggression in der Ukraine. Diesen Ankündigungen folgten sodann parlamentarische Abstimmungen. Lettland, Litauen und Estland haben am 27. Juni den Vereinten Nationen (VN) ihre Austrittsbeschlüsse sogar schon offiziell vorgelegt. Die Austritte werden sechs Monate nach der Vorlage des Bescheids bei den VN in Kraft treten.

Die parlamentarischen Beschlüsse zu den Austritten – eine Chronologie

Das Ottawa-Abkommen sieht ein umfassendes Verbot von Einsatz, Lagerung, Herstellung und Weitergabe aller Arten von Antipersonen-Minen vor. Der Vertrag wurde 1997 beschlossen und trat 1999 in Kraft. Ihm gehören 165 Staaten an.

Als erster der fünf Staaten, die einen Austritt ankündigten, stimmte Lettland am 16. April parlamentarisch darüber ab – mit großer Mehrheit wurde der Beschluss angenommen. Die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) verurteilte diese Entscheidung aufs Schärfste. ICBL-Direktorin Tamar Gabelnick bezeichnete die Entscheidung als „unverständlich und unverantwortlich“. Sie betonte die gravierende Gefahr, die Antipersonen-Minen für die Zivilbevölkerung darstellen – vor allem auch für Kinder.

Nach Lettlands Beschluss am 16. April folgte kurze Zeit später Litauen. So beschloss das litauische Parlament am 8. Mai den Austritt aus dem Minenverbotsabkommen. Für die Entscheidung votierten insgesamt 107 Abgeordnete, drei enthielten sich, Gegenstimmen gab es keine. Nachdem Litauen bereits im März 2025 überhastet aus der Konvention über Streumunition ausgetreten war, stellt der Beschluss über den Austritt aus dem Ottawa-Abkommen einen weiteren schweren Rückschlag für die weltweiten humanitären Bemühungen um Abrüstung dar.

Am Mittwoch, den 04. Juni, wurde dann auch einem Austritt aus der Ottawa-Konvention durch das estnische Parlament mit einer Mehrheit von 81 zu 1 zugestimmt und in der darauffolgenden Woche durch den Präsidenten Alar Karis genehmigt.

Wie befürchtet, schließt sich nun auch Finnland dem Kurs seiner baltischen Nachbarn an. Am Donnerstag, den 19. Juni, stimmte das Parlament in Helsinki mit Blick auf die wahrgenommene Bedrohung durch Russland dem Austritt aus dem Minenverbotsabkommen zu – und das mit einer Mehrheit von 157 zu 18 Stimmen. Die nächsten Schritte werden darin bestehen, die Bestätigung durch Präsident Alexander Stubb einzuholen sowie den UN-Generalsekretär offiziell von dem Vorhaben zu unterrichten.

In Polen wurde bisher noch nicht parlamentarisch über den Austritt abgestimmt. Eine parlamentarische Entscheidung hierzu ist in absehbarer Zeit zu erwarten.

Die verheerende humanitäre Folgen von Anti-Personenminen

Sowohl die ICBL als auch Handicap International, Mitgründungsorganisation der Kampagne, warnen vor diesen humanitären Rückschritten hin zur langfristigen Gefährdung der Zivilbevölkerung. Die Kampagne, der auch viele Landminenüberlebende angehören, wurde 1997 für ihr Engagement gegen Landminen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Denn: Unabhängig von ihrer Bauart oder Technologie verstümmeln und töten Antipersonen-Minen zu 85% Zivilist*innen, darunter viele Kinder, wie der Landminen-Monitor der ICBL jährlich belegt. Die menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen belasten die Zivilbevölkerung langfristig, insbesondere in benachteiligten und geschwächten Regionen, in denen die Menschen oft keine andere Wahl haben, als dort zu leben und ihr Land trotz der Verminung zu bewirtschaften.

Eine mögliche Wiederbewaffnung dieser Länder mit Antipersonen-Minen würde auch eine Wiedereinführung einheimischer Produktion erfordern unter erheblichen Investitionen – für eine Waffe, die bis heute von allen EU- und fast allen NATO-Staaten verboten ist. Mit einem solchen Schritt würden sie sich in eine Reihe mit jenen Staaten stellen, die laut dem Landminen-Monitor weiterhin noch Antipersonen-Minen herstellen, darunter Regime wie China, Russland, Iran und Nordkorea.

Die wachsende Zahl internationaler Stimmen – darunter 100 Nobelpreisträgerinnen und -träger und zahlreiche hochrangige Persönlichkeiten aus Politik, Diplomatie, humanitärer Hilfe und internationalen Organisationen – verdeutlicht einmal mehr, wie groß die Sorge um das Minenverbot, als eines der bedeutendsten Errungenschaften der humanitären Abrüstungspolitik ist. Denn es geht nicht nur um einen Einzelfall. Sobald ein Land gegen eine internationale Norm verstößt und somit einen gefährlichen Präzedenzfall schafft, kann ein Dominoeffekt ausgelöst werden. Was als einzelne Ausnahme beginnt, kann schnell die Integrität des gesamten Ottawa-Vertrages schwächen, Jahrzehnte des humanitären Fortschritts untergraben und die Zivilbevölkerung zunehmend einer willkürlichen Waffe aussetzen.

Neuigkeiten